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BFH-Urteil zur personellen Verflechtung: Betriebsaufspaltung bei von der Geschäftsführung ausgeschlossenem Nur-Besitz-Gesellschafter und Möglichkeit zur Umgehung von § 181 BGB

Im Urteilsfall war fraglich, ob eine personelle Verflechtung und damit eine Betriebsaufspaltung gegeben waren.

 

Folgende Beteiligungsstruktur lag vor:

 

 

Besitz-GbR

(Einstimmigkeitsprinzip)

Betriebs-GmbH

 

Beteiligung

Geschäftsführung

Beteiligung

Geschäftsführung

W

1%

ausgeschlossen

-

-

R

33%

GF

33,3%

GF

L

33%

GF

33,3%

GF

F

33%

GF

33,3%

GF

 

Bei der Besitz-GbR unterlagen die Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafterversammlung. Jeweils zwei geschäftsführende Gesellschafter vertraten die Gesellschaft gemeinsam. Die Gesellschafterversammlung konnte jedem geschäftsführenden Gesellschafter Einzelvertretungsbefugnis übertragen und ihn von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien. Beschlüsse waren einstimmig zu fassen.

 

Die Betriebs-GmbH wurde durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder einen Geschäftsführer und einen Prokuristen gemeinsam vertreten.

 

Die Vorinstanz (FG Köln v. 7.12.2016, 9 K 2034/14) hatte eine personelle Verflechtung im vorliegenden Fall verneint. Laut Urteilsbegründung seien einzig die Mehrheitsgesellschafter der Besitzgesellschaft zur Geschäftsführung befugt, jedoch nicht von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und im Übrigen sei das Einstimmigkeitsprinzip vertraglich geregelt.

 

Der BFH (Urteil vom 28.05.2020, IV R 4/17) widersprach der Vorinstanz und hob das Urteil mit folgender Begründung auf:

 

  • Die Beteiligung von Gesellschaftern an Besitz- und Betriebsunternehmen ergäbe noch keine personelle Verflechtung, wenn in der Besitzgesellschaft das Einstimmigkeitsprinzip gelte und nicht alle Gesellschafter der Besitzgesellschaft auch an der Betriebsgesellschaft beteiligt sind (Nur-Besitz-Gesellschafter). Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Einstimmigkeitsprinzip auch die laufende Verwaltung bzw. die Geschäfte des täglichen Lebens einschließe.
  • Die personelle Verflechtung könne sich jedoch ergeben, wenn eine Person oder Personengruppe zwar nicht nach Beteiligungsverhältnissen, aber nach ihren Befugnissen zur Geschäftsführung bei der Besitz- und der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen könne.
  • Im Urteilsfall lag eine Beherrschungsidentität von R, L und F vor. W konnte seinen Willen nicht gegen diese Gruppe durchsetzen, da er zum einen von der Geschäftsführung ausgeschlossen war und zum anderen mit seiner Beteiligung von nur 1% keine Weisungen in der Gesellschafterversammlung gegen den Willen der Gruppe durchsetzen konnte. Im Übrigen galt das Einstimmigkeitsprinzip.
  • Das Doppelvertretungsverbot konnte auf Seiten der GmbH dadurch umgangen werden, indem ein Prokurist bestellt wurde.

 

 

Beachten Sie:

Der BFH hat in seinem Urteil deutlich gemacht, dass es für das Vorliegen einer personellen Verflechtung nur auf die strukturelle Durchsetzbarkeit der gesellschaftsrechtlichen Regelungen ankomme und nicht darauf, ob von diesen Regelungen tatsächlich Gebrauch gemacht wird. Die gesellschaftsvertragliche Möglichkeit, das Selbstkontrahierungsverbot durch Bestellung eines Prokuristen umgehen zu können, genügte dem BFH um eine personelle Verflechtung nicht auszuschließen.


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